Vortrag im Rathaus Recklinghausen, 2011
Gern hätte ich Ihnen eine wissenschaftlich hochkarätige, faktenreiche, aufregende Geschichte durch 100 Jahre Frauentagsaktivitäten im Ruhrgebiet vorgestellt – mit Schwenks auf Groß– und Kleinstädte, auf Industriedörfer mit starken sozialistischen Organisationen und auf traditionsreiche Städte mit bürgerlichen Eliten. Dies bedarf einer größeren Forschungsanstrengung. Ein dazu eingereichter Antrag wurde nicht positiv beschieden. Doch die zweijährigen Vernetzungsaktivitäten von FRAUEN.ruhr.GESCHICHTE. der Aufbau von Literaturdatenbanken, der von Anerkennung getragene Kontakt zu Archivarinnen, Museumsleuten und Geschichtsinteressierten hat einige Funde zutage treten lassen, die zunächst zusammenhanglos nebeneinander zu stehen scheinen. In einen Kontext gestellt, können sie uns eine Vorstellung davon vermitteln, was eine regionalgeschichtliche Beschäftigung mit dem Frauentag bringen könnte.
Natürlich gab s auch schon vor 100 Jahren hier im Ruhrgebiet aktive Frauen. Für die Entwicklung von Organisationsformen durch Frauen überhaupt und einer bürgerlichen Frauenbewegung im Besonderen sind – und dies gilt für die gesamte Region– die patriotischen Frauenvereine zu erinnern. Während der antinapoleonischen Befreiungskriege in den Jahren 1813 bis 1815 organisierten sich Frauen erstmals in patriotischen Vereinen, um „im Kampf für Deutschlands Ehre“ nicht nur „müßige Zuschauerinnen [zu] sein und [zu] bleiben“, sondern das ihnen Mögliche und Erlaubte zu diesen Kriegen beizutragen. Sie bestanden dem Anspruch nach aus adeligen und großbürgerlichen Frauen aller Konfessionen und arbeiteten überregional zusammen. Sie nutzen die mediale Öffentlichkeit und ihre gesellschaftlichen Kontakte, um Geld und Material zu sammeln, sie stickten Fahnen, stellten Verbandsmaterial her, gründeten und finanzierten Lazarette, arbeiteten als Krankenpflegerinnen, Verwalterinnen und Köchinnen, kümmerten sich um die Familien der Soldaten, unterstützten nach dem Kriege die Invaliden, die Witwen und Waisen der Gefallenen.
Auch Eleonore von Vincke, geborene von Syberg (1788–1825) arbeitete in einem solchen Verein mit. Ihr Mann war Oberpräsident der Provinz Westfalen und damit der oberste Regierungsvertreter. Eleonore von Vincke hat vor ihrem Freitod Briefe und vor allem einen Abschiedsbrief hinterlassen, die uns Einblick in das sich formierende bürgerliche Geschlechtermodell mit den psychischen und physischen Zumutungen für Frauen geben. Mit diesen Frauenvereinen war grundsätzlich eine Organisationsform für öffentliches Engagement geschaffen, die sich die Frauen nicht wieder nehmen lassen wollten und die sie in Krisenzeiten „für ihr Vaterland“ aktivierten.
Wesentlich näher an einr politischen Vor–Geschichte des Internationalen Frauentages sind wir, wenn wir uns auf den Weg nach Sprockhövel und Hattingen machen. Dort lebte Mathilde Franziska Anneke (1817–1884), eine Pionierin der deutschen und der amerikanischen Frauenbewegung. Sie griff aktiv in die 1848er Revolution ein. Auf ihre Initiative erschien ab dem 10. September 1848 die Neue Kölnische Zeitung. Gerade von einem Sohn entbunden betreute sie die Zeitung in der Anfangsphase auch redaktionell und verlegerisch, als ihr Mann Fritz Anneke 1848 inhaftiert wurde. Als mit der Verhängung des Belagerungszustandes über Köln die Neue Kölnische Zeitung verboten wurde, führte Mathilde Franziska Anneke das Blatt unter dem Namen Frauen-Zeitung fort: die dritte Ausgabe wurde bereits vor der Auslieferung von den preußischen Zensoren verboten. Auch scheint Mathilde Franziska Anneke die treibende Kraft zur Gründung des Kölner Arbeitervereins gewesen zu sein, einem der Kristallisationspunkte der 1848er Revolution im Rheinland. Als Frau durfte sie ihm jedoch nicht als Mitglied angehören. Die vorzügliche Reiterin folgte ihrem Mann als Adjudantin in den badisch–pfälzischen Aufstand. Wichtig ist: Mathilde Franziska Anneke war keine Ausnahmefrau in der Revolution von 1848/49. Viele Frauen unterstützten die freiheitlichen Ziele. Sie bezogen selbstverständlich die Ideen der Französischen Revolution nach Freiheit und Gleichheit auf das weibliche Geschlecht und forderten – wie Mathilde Franziska Anneke – selbstverständlich die weibliche Gleichberechtigung und das Recht, den Staat mitzugestalten. Am 11. März 1850 erließ Preußen ein Vereinsrecht, das als Reaktion auf diese Politisierung auch der Frauen zu werten ist. Es verbot ihnen den Zusammenschluss in politischen Vereinen und die Koalition mit anderen Organisationen. Es verbot ihnen sogar, an politischen Veranstaltungen teilzunehmen. In § 8 des Vereinsrechts heißt es explizit: „Für Vereine, welche bezwecken, politische Gegenstände in Versammlungen zu erörtern, gelten …. A) sie dürfen keine Frauenspersonen, Schüler, Lehrlinge als Mitglieder aufnahmen; b) sie dürfen nicht mit anderen Vereinen gleicher Art in Verbindung treten, insbesondere nicht durch Komités, Ausschüsse, Central–Organe oder ähnliche Einrichtungen oder durch gegenseitigen Schriftwechsel … usw.“ Als politisch im Sinne des Vereinsgesetzes galt alles, was Verfassung, Gesetzgebung, Verwaltung und „die staatsbürgerlichen Rechte der Untertanen“ betraf. Damit war den Frauen jede Möglichkeit genommen – wie Maria Perrefort aus Hamm betonte – sich im preußischen Staat für ihre Interessen zu organisieren. Je nach Einstellung der Obrigkeitsvertretung wurden sie sogar noch erbitterter überwacht, als die des Sozialismus verdächtigen Arbeiter.
Die politische Verfasstheit der für uns heute als Bundesrepublik gefassten Einheit ließ jedoch an anderen Orten Vereinsgründungen zu, die die einmal formulierten Vorstellungen von Demokratie auch auf das Feld der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen am beruflichen wie staatsbürgerlichen Leben übertrugen. So konnten 1902 Anita Augsburg, Lida Gustava Heymann und Minna Cauer in Hamburg den Verband für das Frauenstimmrecht gründen. Er vertrat eine uneingeschränkt demokratische Position mit einem allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht zu allen Parlamenten. Sie brachten diese Forderung nach politischer Gleichberechtigung auch als Petition in den Bund deutscher Frauenvereine ein, den Dachverband der Frauenorganisationen. Die Forderung nach einem allgemeinen, gleichen Wahlrecht gehörte im konservativen Kreise der Frauenvereine, die sich für ein Recht auf Bildung, für freie Berufswahl, die Änderung des Vereinsrechts und die Zulassung zum Universitätsstudium einsetzten, nicht originär zur Agenda.
Das war anders bei der proletarischen Frauenbewegung – die im übrigen vom Bund Deutscher Frauenvereine ausgeschlossen war – und für die das Frauenwahlrecht zusammen mit Forderungen nach gerechteren Löhnen, Arbeitszeitverkürzung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Arbeiterinnen– und Mutterschutz zur wichtigen Forderung wurde.
Vor allem seit der ersten internationalen Frauenkonferenz in Stuttgart 1907 agitierten die deutschen sozialistischen Frauenrechtlerinnen für das Frauenwahlrecht. Und sie konnten damit auch bürgerliche Frauen politisieren, so wie die Wittenerin Rosi Wolfstein (1888–1987), Tochter eines jüdischen Kaufmanns, die 19–jährig auf einer Demonstration für das Frauenwahlrecht just im Jahre 1907 ein Flugblatt zu diesem Thema in die Hand bekam. Rosi Wolfstein begann, die sozialdemokratische Presse zu lesen, kaufte sich die Broschüre Clara Zetkins zum Frauenwahlrecht, trat noch im gleichen Jahr dem Frauen– und Mädchen–Arbeiterbildungsverein in Hagen bei. Im darauf folgenden Jahr wurde sie Mitglied der SPD. In Kamen lernte sie dann 1910 bei einer Versammlung Rosa Luxemburg kennen, wurde auf der Parteischule in Berlin deren Schülerin, dann eine bedeutende sozialistische Politikerin. Nach ihrer Rückkehr aus dem Exil wurde sie in der SPD und in der Gewerkschaft der neuen Bundesrepublik aktiv.
Die zweite Internationale Sozialistische Frauenkonferenz in Kopenhagen im Jahre 1910 setzte die Frage des Frauenwahlrechts erneut auf die Tagesordnung. Aus den USA kamen neue kreative Ideen: dort hatten Frauen der Sozialistischen Partei Amerikas 1908 ein Nationales Frauenkomitee gegründet und die Etablierung eines landesweiten Aktionstages für das Frauenstimmrecht beschlossen. Der im Februar 1909 durchgeführte „Frauentag“ war ein voller Erfolg, der Tag wurde 1910 wiederholt. Die US–Amerikanerin May Wood–Simons, sozialistische Theoretikerin und Aktivistin, brachte mit ihrer Delegation diese Idee in Kopenhagen ein, die deutschen Sozialistinnen Klara Zetkin und Käthe Duncker gossen ihn in einen Antrag. Der Beschluss, den die über 100 Delegierten in Kopenhagen fassten, lautete: „Im Einvernehmen mit den klassenbewussten politischen und gewerkschaftlichen Organisationen des Proletariats in ihrem Lande veranstalten die sozialistischen Frauen aller Länder jedes Jahr einen Frauentag, der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dient. […] Der Frauentag muß einen internationalen Charakter tragen und ist sorgfältig vorzubereiten.“
Der Zetkin–Biograf Gilbert Badia spricht von einem beachtlichen Erfolg dieses Tages mit Veranstaltungen überall im Lande, denen oftmals Demonstrationszüge folgten. Auch im Jahre 1912 waren die Manifestationen beeindruckend: In Essen versammelten sich 1.300 Frauen. Bei Veranstaltungen in Düsseldorf warf man Frauen in den Arrest. Badia schließt aus Fotos von den Demonstrationen, dass die Frauen, „die daran teilnahmen, bei weitem nicht alle Proletarierinnen waren; ihre Hüte, die Sorgfalt, mit der sie gekleidet waren, bezeugen dies.“[ Doch schaut man sich z.B. die Bilder an, die Klaus–Peter Dreßel in seiner SPD–Geschichte Bergkamens publizierte, dann sieht man den SPD–Ortsverein um 1908 mit ihren Frauen bei einem Ausflug: alle elegant gekleidet und von bürgerlichen Frauen nicht zu unterscheiden. Hüte, Mieder, geschnürte Taillen und bodenlange Röcke waren kein Zeichen bürgerlicher Frauen, wenn es um besondere öffentliche Ereignisse ging.
Und doch gab es auch in der deutschen bürgerlichen Frauenbewegung Sympatisantinnen, wie jene Minna Cauer, die 1902 in Hamburg den Verband für das Frauenstimmrecht gründete. Minna Cauer ging in die Geschichtsschreibung der Frauenbewegung in Deutschland ob ihrer Forderungen als „Radikale“ ein. Ich habe sie immer mit Berlin in Verbindung gesetzt: Erst durch die Arbeit Maria Perreforts vom Gustav–Lübbke Museum in Hamm wurde mir bekannt, dass Minna Cauer auch eine Geschichte im Ruhrgebiet hatte. In Hamm trat sie 1869 eine Stelle als Lehrerin an, heiratete, begann zu forschen und zu schreiben. Erst nach dem Tode ihres Mannes Eduard Cauer im Jahre 1881 zog es sie nach Berlin. Minna Cauer äußerte immer wieder Sympathien für die proletarischen Frauenpositionen: „Mein Kopf ist vielleicht noch bürgerlich, mein Herz ist ganz bei meinem Volk. Die Sozialdemokratie zieht mich mächtig an, nicht in ihrem Vorgehen, aber in ihrer Idee. Es ist Leben, es sind Ideale. In unserem Stande ist so viel Totes, Überlebtes.“[4] Sie kam auch ins Ruhrgebiet zurück, so zu einem Vortrag auf der Gründungsveranstaltung des Westfälischen Provinzialvereins für Frauenstimmrecht am 9. März 1910 in Dortmund, wie Hanne Hieber erforschte.
Im Überwachungsprotokoll des Kriminalpolizeiwachtmeisters Wiekenberg sind die Aussagen Minna Cauers sehr verkürzt zusammengefasst. Sie sprach zum Thema „Die Frauenbewegung seit 1893“. Ihr Vortrag enthielt wohl auch einen Seitenhieb gegen die vielen regionalen Neugründungen von Wahlrechtsvereinen. Das Thema war in der Tagespolitik angekommen. Die neuen Vereinsgründungen waren mit der Einführung des Reichsvereinsgesetzes im Jahre 1908 möglich geworden. Aber während Minna Cauers Verein für Frauenstimmrecht auf einer 1907 stattfindenden Tagung die Forderung nach allgemeinen, gleichen, direkten, und geheimen Wahlen in seine Satzung aufgenommen hatte, forderte der Filiallverein in Rheinland–Westfalen nur ein Wahlrecht „unter den gleichen Bedingungen wie Männer es haben und haben werden.“ Damit blieb die Forderung auf dem Boden des Dreiklassenwahlrechts, das in Preußen galt, und für Minna Cauer inakzeptabel. Sie schätze die Entwicklung so ein: „Ferner halte ich die Provincialvereine für ein Unglück, sie werden einmal so mächtig werden, dass sie alles an sich reißen und zwar in gemäßigter Richtung.“
Als exponierte Vertreterin dieser Richtung galt die Hagenerin Li Fischer–Eckert. Bekannt wurde Li Fischer-Eckert im Ruhrgebiet aufgrund ihrer 1913 in einem Hagener Verlag veröffentlichten Doktorarbeit „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Frauen in dem modernen Industrieort Hamborn im Rheinland“. „Das Verdienst der Fischerschen Arbeit ist es“, so die spätere Sozialpolitikerin Marie Baum „in das bisher noch so gut wie unerforschte Dunkel der nicht im Berufe stehenden Frauenleben der Bergarbeiterschaft hineingeleuchtet zu haben.“ Und uns, so sage ich heute, damit eine unschätzbare Quelle zur Lage der Arbeiterfrauen im Ruhrgebiet hinterlassen zu haben. Fischer–Eckerts Analyse setzt mit der akribischen Beschreibung des Ortes ein, dem damals alles fehlte. Sie geht auf den Straßenverkehr ebenso ein wie auf die Grundstücks- und Hauseigentumsverhältnisse. Die Wohnsituation in Privat- wie in Siedlungshäusern wird anschaulich dargestellt, die Frage nach dem Prozentsatz der ausländischen Bevölkerung beantwortet und Wanderungsbewegungen werden statistisch nachgezeichnet. Ab dem vierten Kapitel dann geht es ausschließlich um die von ihr befragten 495 Arbeiterfrauen, um deren Herkunft, Ausbildung und um die Berufe der Ehemänner, die vor allem als Bergmänner und Fabrikarbeiter tätig waren. Man kann sich Hamborn einhundert Jahre später nicht unwirtlich genug vorstellen, denn Li Fischer-Eckert ist bei ihren Gesprächen auf keine Frau getroffen, die sich diesem Ort verbunden fühlte und dort gerne gelebt hätte. Die von ihr vorgefundenen größtenteils erbärmlichen Verhältnisse führt sie auf die schlechten Verdienstmöglichkeiten der Männer zurück, jedoch auch auf die Unerfahrenheit und Unwissenheit vieler Frauen. Fischer-Eckert informiert über die Lohn- und Preisentwicklung und rechnet vor, dass der durchschnittliche Wochenlohn von 22,88 Mark zwangsläufig zu Unterernährung aller Angehörigen einer mehrköpfigen Arbeiterfamilie führen muss. Sie plädiert für einen sechswöchigen Mutterschutz auch für nichtberufstätige Frauen sowie für eine Schulung junger Frauen, um die bei etwa 30 Prozent liegende, enorm hohe Säuglings- und Kindersterblichkeit zu reduzieren.
Für ihren Mann reiste sie geschäftlich durch Europa und Nordafrika. In England studierte sie die soziale Frage, die Gartenstadt– und die Stimmrechtsbewegung. Und so fasste sie nach Änderung des Vereinsgesetzes den Entschluss zur Gründung des Frauenstimmrechtsverband für Westdeutschland sowie für die Deutsche Vereinigung für Frauenstimmrecht, deren Vorsitzende sie bis zur Auflösung der Organisation 1919 blieb. Diese zielte auf die „staatsbürgerliche Erziehung der Frau und Erweckung ihrer Verantwortlichkeit gegenüber dem Staatsleben.“ Das Wahlrecht galt hier quasi als eine Art Belohnung für gelungene staatsbürgerliche Integration, nicht als ein Grundrecht. Diese Forderung blieb im wahrsten Sinne des Wortes „gemäßigt“ und folgte der Vorstellung, Frauen müssten erst einmal an ein Leben als Staatsbürgerin herangeführt werden, ehe sie wählen könnten und gewählt werden dürften.
Zum Einstieg in die Geschichte des Internationalen Frauentags habe ich einige Frauenhandbücher zur Hand genommen. Das von der ehemaligen Lünener Gleichstellungsbeauftragten Renate Wurms mit herausgegebene „Weiberlexikon“ schreibt: „Woher die Idee zu einem besonderen Frauentag kam … ist nicht mehr genau auszumachen.“ Auch sie verweist auf die US–amerikanischen Einflüsse und betont die internationale Konzeption des Tages. Renate Wurms plädiert für die Verabschiedung einer politisch instrumentalisierten Ursprungsgeschichte und für vielstimmige Erzählungen, um die konkrete Utopie, die in diesem Tag steckt, lebendig zu halten: „eine von Ausbeutung, Kriegsdrohung und Kriegen freie Gesellschaft, in der Frauen wirtschaftlich und psychisch vom Mann unabhängig, selbstbestimmt leben und die gemeinsamen gesellschaftlichen Angelegenheiten gleichberechtigt mitentscheiden.“
Im Januar 1912 begannen Textilarbeiterinnen in Lawrence/ Mass. einen 8–wöchigen Streik um höhere Löhne und menschlichere Arbeitsbedingungen. Sie waren Migrantinnen aus Italien, Griechenland, Portugal, aus Russland, Polen, Litauen, Syrien und Armenien, junge Mädchen noch, zwischen 12 und 18 Jahren die meisten, die größtenteils für weniger als 15 Cent 60 Stunden in der Woche unter unglaublichen Bedingungen arbeiten mussten. Sie machten ein 1911 von James Oppenheim geschriebenes Gedicht zu ihrer Parole: „Brot und Rosen“. Bis heute sind in den vier Strophen die Frauentags–Forderungen gleichsam emblematisch festgehalten: Das „Brot“ als Symbol für ein materiell gesichertes Leben ohne Armut, die „Rosen“ als Symbol für Möglichkeiten zu einer allseitigen Entwicklung der Persönlichkeit. 1976 wurde dieses Gedicht von der Schwester der Sängerin Joan Baez, Mimi Fariňa, vertont und seitdem zu einer Hymne der Frauenbewegung. Ich verbinde mit diesem Lied Erinnerungen an die Oberhausener Musikerin Fasia Jansen (1929–1997). Auf unzähligen Streik–Veranstaltungen, Friedensmärschen und Aktionen der Frauenbewegung sang sie dieses Lied zur Gitarre, das in der geradezu modernen Forderung gipfelt: „Her mit dem ganzen Leben: Brot und Rosen!“
Die ehemalige Lünener Gleichstellungsbeauftragte Renate Wurms mahnte angesichts der jährlichen Frauentagsveranstaltungen: „Ein solcher Tag ist nicht gegen das Erstarren im Ritual gefeit. Alljährliche (Pflicht)Veranstaltungen machen auch guten Traditionen den Garaus, wenn nicht die allgemeine Bedeutung des Internationalen Frauentags aktuell lebendig wird: Aufforderung zum alltäglichen Widerstand gegen Diskriminierung, Sexismus, Rassismus und Patriachalismus und Aufforderung zum Engagement für Gleichheit, Demokratie, Eigenständigkeit und Selbstbestimmung.“
Uta C. Schmidt / FRAUEN.ruhr.GESCHICHTE.
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