Emma Horbach / 1884-1976

Vom Dienstmädchen zur Politikerin

Am Ende des 19. Jahrhunderts war Sprockhövel ein Bergarbeiterdorf mit starker landwirtschaftlicher Prägung. Am 15. Juni 1884 erblickte dort Emma Rödelbrunn das Licht der Welt. Das Mädchen war eines von sieben Geschwistern. Emmas Vater war Bergmann, doch er verdiente nicht genug für die große Familie. So mussten auch alle Kinder mitarbeiten. Emma ging täglich vor der Schule Geschirr spülen. Dafür bekam sie Brot und ihre Schulhefte – sie spülte bei einem Schreibwarenhändler. Nach der Schulentlassung ging Emma wie viele junge Arbeitermädchen „in Stellung“.

Sie arbeitete als Dienstmädchen, im Gegensatz zur Fabrikarbeit galt dies als akzeptierte Form der Erwerbsarbeit für junge Frauen. Leicht war diese Tätigkeit nicht und die Willkür einiger Dienstherrinnen war unvorstellbar: So verlor Emma in Elberfeld ihre Stelle, weil der Hausherrin die Äpfel nicht schmecken, die Emma für sie auf dem Markt kaufen musste. Als sie in Blankenstein – heute ein Stadtteil von Hattingen – bei einem Lebensmittelgroßhändler in Dienst war, lernte Emma Karl Horbach kennen. Von nun an verlief ihr Leben nicht mehr ganz in den damals üblichen Bahnen.

Mit 23 Jahren heiratete sie Karl Horbach. Als Christin bestand sie auf einer kirchlichen Trauung, doch bald wurde sie zur kritischen Christin. Karl Horbach war in der SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) und in der Gewerkschaft aktiv. Und auch sie entwickelte politisches Bewusstsein. 1907, dem Jahr ihrer Eheschließung, verhinderte noch das preußische Vereinsgesetz ein aktives parteipolitisches Engagement: Von 1850 bis 1908 verbot es die Mitarbeit von Frauen in politischen Parteien.

1908 brachte Emma Horbach Zwillinge zur Welt und es vergingen kaum drei Jahre, da hatte sie vier Kinder zu versorgen. Die Familie wohnte in Hattingen in der Friedrichstraße. Karl Horbach arbeitete schwer, doch das Geld reichte selten. Und dann begann 1914 der Erste Weltkrieg.

Die Horbachs waren SPD-Mitglieder. Enttäuscht und wütend mussten sie zur Kenntnis nehmen, wie die SPD in Berlin den Kriegskrediten zustimmte. Für die Familie Horbach hatte dies direkte Auswirkungen: Das fünfte Kind wurde 1915 geboren, während der Vater an der Front kämpfte. Emma Horbach brachte die Familie in den Kriegszeiten allein über die Runden. Sie blieb politisch aktiv, verteilte Flugblätter. Die Suppe aus der Kriegsküche trug sie trotz des Hungers in der Familie nicht nach Hause, sie schüttete sie aus Protest direkt in den Straßengraben. Als „Rädelsführerin“ wurde sie verwarnt.

Am Ende des 1. Weltkrieges, mit Beginn der Weimarer Republik, erhielten Frauen das aktive und passive Wahlrecht. Emma Horbach kandidierte 1919 bei der Hattinger Stadtratswahl für die USPD, die Unabhängige Sozialdemokratische Partei, die sich 1917 aus der Ablehnung der Kriegskredite gegründet hatte. Sie erhielt den achten Listenplatz, doch fielen auf die USPD nur sieben Sitze im Stadtparlament. Nach der Auflösung der USPD zog Emma Horbach 1924 als Stadtverordnete für die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) in den Hattinger Rat, in den Kreistag und 1930 in den Westfälischen Provinziallandtag. Häufig reiste sie als Referentin durchs Land. Das Dienstmädchen Emma Horbach wurde Politikerin. Wo hatte sie das Reden gelernt?

Während des Kapp-Putsches beteiligte sich das Ehepaar Horbach an der Verteidigung der jungen Demokratie. Beide wurden verhaftet und verbrachten einige Zeit im Gefängnis. Als Emma Horbach verbotene Zeitungen vor der Henrichshütte verkaufte, wurde sie erneut verhaftet und kam für vier Wochen in das Essener Gefängnis Haumannshof. „Eine Frau kann in dieser Zeit nur Hausfrau sein“, so stand es bei ihrer Verhaftung in der Zeitung. Doch da der Verdienst ihres Mannes nicht für die Familie reichte, konnte sie gar nicht „nur“ Hausfrau bleiben. Sie musste ihr eigenes Geld verdienen. Sie wusch Bettwäsche und arbeitete als Bauhelferin auf der Henrichshütte.

Während der Inflation 1923 standen die Frauen zum Zahltag am Werkstor der Henrichshütte, um den Lohn ihrer Männer in Empfang zu nehmen. Sie mussten sofort das Lebensnotwendigste einkaufen, bevor das Geld weiter an Wert verlor. Sie hasteten die Blankensteiner Straße hoch, dort gab es den werkseigenen Konsum. Doch gerade in dem Moment ließen die Verkäuferinnen die Gitter herunter, um die Preise erneut höher auszuzeichnen. Emma Horbach sprang auf die niedrige Schaufensterstufe und forderte die Frauen auf, mit ihr zur Werksleitung zu gehen um zu erfahren, wie man von dem wenigen Geld Leben und schwer Arbeiten sollte. Die meisten Frauen folgten ihr.

1932 wurde die KPD verboten. Die KPD-Abgeordnete Emma Horbach durfte das Stadtgebiet Hattingen nicht mehr verlassen. Karl Horbach kam für mehr als ein Jahr ins Gefängnis. 1939 beantragte das Ehepaar, nach Grünscheid ins Bergische Land ziehen zu dürfen. Dort fand Karl Horbach eine Stelle als Verwalter einer Hühnerfarm. 1941 verlor der jüngste Sohn Heinz in der Sowjetunion sein Leben. Der Sohn Karl starb 1943 im Hattinger Krankenhaus.

Das Ehepaar Horbach und die drei Töchter überlebten den Zweiten Weltkrieg. Nach dem Tode ihres Mannes 1955 kehrte Emma Horbach nach Hattingen zurück. Sie blieb politisch aktiv. Bis zu ihrem 80. Lebensjahr stand sie als Vorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes vor.

1976, im Alter von 92 Jahren, starb Emma Horbach geborene Rödelbronn in Hattingen.

Ute Senger/ LWL-Industriemuseum Henrichshütte Hattingen

Orte:

LWL–Industriemuseum Henrichshütte Hattingen, Werksstraße 31
Friedrichstraße, 45525 Hattingen

Literatur:

Dickhut, Luise, Die Horbachs, Erinnerungen für die Zukunft, Essen 1988. 
Keine Zeit um auszuruhen, Haus- und Lohnarbeit vom Hattinger Frauen im 19. und 20. Jahrhundert, hg. Volkshochschule der Stadt Hattingen, Hattingen [ca. 2005].

Zitation: Senger, Ute, Emma Horbach, Version 1.0, in: frauen/ruhr/geschichte, https://www.frauenruhrgeschichte.de/biografien/emma-horbach/

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