Beginenkonvente waren im Mittelalter Gemeinschaften von Frauen, die, einer radikalen Armuts- und Apostolatsauffassung folgend, ein bescheidenes Leben durch ihrer Hände Arbeit führten. Sie waren Teil einer breiten religiösen Erneuerungsbewegung, die schon im 10. Jahrhundert eingesetzt hatte. Kirchenrechtlich bewegten sich diese Gemeinschaften zwischen dem weltlichen und geistlichen Stand. Sie durchbrachen mit dieser vita mixta das Ordnungsgefüge einer Gesellschaft, die bis dahin auf einer strikten Trennung von Religiosen und Laien beruhte.
Der älteste Beleg für Beginen in Kamen stammt aus dem Jahre 1411. Die Beginen in dem großen Hause auf der Vlotau kauften einen Garten an der Grünen Straße vor der Stadt. Bei entsprechender Interpretation der Quellen kann man davon ausgehen, dass es eine weitere Beginengemeinschaft nördlich des Kirchplatzes und südlich der Weststraße gegeben hat. Seit der ersten überlieferten Erwähnung tauchen die Beginen immer wieder in Quellen auf. Sie scheinen ihren Besitz kontinuierlich erweitert zu haben und erhielten somit eine hohe wirtschaftliche Selbstständigkeit. Auch tauchen einige Beginen in den Urkunden namentlich auf: Boleke von Bogelen, Mette Soeschen und Benedicte Wulfes wurden 1415 in einer Verkaufsurkunde genannt.
Wann das Beginentum in Kamen seinen Ursprung nahm, ist nicht nachweisbar. In einigen nordwestdeutschen Städten fanden sich Beginen im Umfeld der Hospitäler. Dem Ideal der caritas, der Nächstenliebe verpflichtet, übernahmen sie dort die Betreuung der Insassen. Anders als die Nonnen, die durch Memoria und Meditation das Seelenheil ihrer Auftraggeber mehrten, fühlten sich die Beginen als Dienerinnen und Haushälterinnen Gottes, die göttliche Berufung im Kranken-, Armen- und Totendienst sahen. Möglicherweise finden wir in der Urkunde vom 28. Mai 1343, in der ein Gerhard von Lo der im Kamener Hospital lebenden Gese von der Borg eine Geldrente vermacht, eine Begine, die dort wirkte. Häufig wurden den Beginen Leibrenten übertragen, die nach ihrem Tod den anderen Beginen weiter gezahlt wurden. Das susterhus op der Vlotwe verpflichtete sich 1477 zu einer jährlichen Rente für das Hospital, ebenfalls ein Indiz für Verbindungen zwischen Beginenkonvent und Hospital.
Im Jahre 1470 übernahmen die Beginen des Konvents op der Vlotwe die dritte Regel des Franziskus und gaben sich damit eine anerkannte Organisationsform. Herzog Johann I. von Kleve nahm den Konvent unter seinen Schutz. Er bestätigte den Übertritt zu einem päpstlich anerkannten Orden, so wie es Papst Pius IV. von allen nach eigenen Regeln lebenden Frauen gefordert hatte. Die Beginen erhielten durch diesen Anschluss Rechtssicherheit und Schutz angesichts zunehmender Bedrängnis durch Kirche und weltliche Macht. Damit wurden sie jedoch keine Nonnen, sondern blieben Schwestern, ihr Haus wurde weiterhin Konvent oder Süsternhaus bezeichnet. Auf Wunsch des Landesherrn genehmigte auch der Kamener Magistrat am 16. Januar 1473 die Konventsgründung. Die Regel sah vor, dass die Zahl der Konventualinnen auf zwölf beschränkt sein sollte, wobei sämtliche Schwestern Töchter Kamener Bürger oder im Besitz des Bürgerrechts befindlicher Burgmannen sein mussten. Die Aufnahme von Konventualinnen durfte nur auf Vorschlag des Bürgermeisters im Namen des Magistrats geschehen. Die Stadt Kamen verfügte über die Hälfte des Vermögens der eintretenden Schwestern, wofür sie die bauliche Unterhaltung der Konventsgebäude übernahm. Die Frauen sollten nur so viel weben und wirken, wie sie für den eigenen Bedarf benötigten. Hier wurde die Sorge der städtischen Zünfte vor einer starken Konkurrenz in der Textilherstellung deutlich.
Eine Moder – Mutter – leitete den Konvent, ihr standen mehrere Schwestern zur Seite. Als erste Mutter des neuen Konvents ist 1477 Else Vorwercks überliefert. Die berühmteste Mit-Schwester dürfte Katharina von der Mark gewesen sein, eine natürliche Schwester des verstorbenen Adolf VI. v.d. Mark und Schwester des regierenden Herzog Johann I. v. Kleve. Sie trat am 4. Oktober 1471 in den Konvent ein und starb dort am 20. Juli 1499. Sie vermehrte den Besitz des Konvents und errichtete eine Kapelle mit einem Marienaltar. Ein nicht mehr vorhandener Bronze-Epitaph trug die Inschrift:„Biddet voer Süster Katharinen“.
Als ab 1553 die Reformation in Kamen Einzug hielt, blieben die Konventsschwestern beim katholischen Glauben. Zuwendungen Kamener Bürger an den Konvent gingen zwar merklich zurück, doch zahlten einige auswärtige Bürger weiter. 1646 nahm der neue Landesherr die drei Tertiarinnen-Konvente in Kamen, Lütgendortmund und Rhynern unter seinen Schutz.
Der Konvent befand sich seit dem Dreißigjährigen Krieg in arger finanzieller Not, von der er sich erst am Ende des 18. Jahrhunderts erholte. Zunehmend geriet der Konvent auch in die Kritik, ob berechtigt oder aufgrund gewandelter gesellschaftlicher Vorstellungen mit beginn der Neuzeit lässt sich nicht mehr feststellen. 1659 erhoben Bürgermeister und Rat der Stadt Protest gegen das Kloster wegen Satzungsverstößen: es würden auswärtige Schwestern dort leben und ein Franziskaner würde sich ständig dort aufhalten. 1699 wurde eine ordnungsgemäße Lebensweise und Klosterzucht angemahnt, 1703 verbot der zuständige Franziskaner-Provinzial den Gebrauch des Tabaks und des Tees, 1727 wurde dies erneut untersagt und zugleich auch Branntwein und Kaffee verboten. Eine ausgetretene Schwester, Rosa Affhüppe, wurde gar wegen ihres vagabundierenden Lebenswandels 1738 exkommuniziert.
Doch da nahte bereits das Ende durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803, der die Auflösung aller geistlichen Herrschaften – außer dem Bistum Mainz – vorsah, um die deutschen Fürsten für den Verlust ihrer Besitztümer am linken Rheinufer zu entschädigen, die an Frankreich abgetreten werden mussten. Auch die Besitztümer des Kamener Konvents wurden aufgelistet: Einschließlich der Immobilien ergab sich ein Vermögen von 13.415 Reichstalern. Nachdem die Preußen ihre westlichen Landesteile nach der napoleonischen Besetzung wieder in Besitz nahmen, lösten sie den Kamener Konvent am 14. Juli 1818 endgültig auf. Die letzten beiden Schwestern erhielten eine Pension.
Hans-Jürgen Kistner / Haus der Kamener Stadtgeschichte
Orte:Kirchplatz, 59174 Kamen
Bahr, Heinz-Wolfgang, Geschichte des Klosters zu Kamen im Zusammenhang mit der katholischen Kirchengemeinde und ihre Didaktik an ausgesuchten beispielen. Examens-Arbeit Universität Dortmund 1973.
Buschmann, Friedrich, Geschichte der Stadt Camen, Kamen 1841.
Kistner, Hans-Jürgen, Vom Beginen-Haus zur Klostergemeinschaft, in: Kreis Unna (Hg.), Jahrbuch des Kreises Unna, 2003, S. 32-40.
Zuhorn, Wilhelm, Geschichte des Klosters und der katholischen Gemeinde zu Camen, Kamen 1902.
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