Elisabeth Treskow / 1898-1992

Unsterblich mit der Meisterschale!

Es gibt eine Silberschmiedearbeit, die in der Bundesrepublik nahezu jeder und jede durch Bilder vermittelt kennt. Meistens sieht man sie hochgehalten, auf dem Rasen und auf den Tribünen. Menschen verbinden mit ihr magische Momente, Freud, Leid, höchste Erregung, tiefste Trauer, individuelle wie kollektive Erfahrungen. Sie stiftet Generationen übergreifende, lebenslange Zusammengehörigkeiten und Erinnerungsgemeinschaften.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) erteilte 1949 der in Bochum geborenen Goldschmiedin Elisabeth Treskow den Auftrag, einen Wanderpokal für den Gewinn der Deutschen Meisterschaft anzufertigen – eben jene „Meisterschale“, die Fußballdeutschland Jahr für Jahr in Taumel versetzt. Er beauftragte eine renommierte und stilbildende Goldschmiedemeisterin, die ihre ersten Professionalisierungsschritte im Kontext der Hagener Folkwang-Idee unternommen hatte. Als Leiterin der Gold- und Silberschmiedeklasse der Kölner Werkschulen hatte ihr das Erzbistum Köln 1948 sogar die Wiederherstellung des im Kriege aus dem Kölner Dom ausgelagerten Dreikönigenschreins anvertraut. Elisabeth Treskow besaß bereits Erfahrungen mit religiös und nationalgeschichtlich hoch aufgeladenen kultischen Gegenständen.

Zusammen mit ihren Studierenden entwarf sie eine Silberschale mit einem Durchmesser von 50 Zentimetern, in die zur Verzierung des DFB-Logos elf (!) kleine und zur Proportionierung der gesamten Arbeit fünf große Turmaline eingelassen wurden. Fünfeinhalb Kilogramm reinstes Sterling-Silber führten zusammen mit den Edelsteinen zu einem Gesamtgewicht von elf Kilogramm. Der Rand der Schale trägt die eingravierten Gewinner der vom DFB seit 1903 ausgetragenen deutschen Meisterschaft: Vereinsnamen verdichtet zu einer Spirale der Zeit, die Unsterblichkeit durch die Epochen hindurch zu sichern vermag. Mittlerweile musste die Originalschale um einen Silberring vergrößert werden – dies war beim Entwurf bereits mitgedacht -, so dass nun voraussichtlich erst einmal Platz für die Titelgewinner bis 2026 zur Verfügung steht.

Elisabeth Treskow wuchs in Bochum in einer Familie auf, die die künstlerischen Entwicklungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts aktiv mitvollzog. Der Vater betrieb eine Drogerie, handelte mit Malutensilien und fotografischen Bedarfsartikeln, die Mutter war als Malerin und Kunstgewerblerin tätig. Sie leitete um 1920 eine Malschule. Elisabeth besuchte ab 1914 die Silberschmiede in der Hagener Künstlerkolonie des Karl-Ernst Osthaus und begann dann ein Studium an der Essener Folkwang-Schule. Sie studierte weiter an der Königlichen Höheren Fachschule für Edelmetall in Schwäbisch-Gmünd und absolvierte in München eine Goldschmiedelehre. Mit ihrem Gesellenbrief kehrte sie 1919 nach Bochum zurück und richtete sich im elterlichen Haus eine Werkstatt ein.

1923 zog Elisabeth Treskow auf die Essener Margarethenhöhe. Die von Margarethe Krupp anlässlich der Heirat ihrer Tochter Bertha gestiftete und nach den modernsten städteplanerischen Konzepten umgesetzte Gartenstadt bot nicht nur licht- und luftdurchdrungenen Wohnraum für Angestellte der Firma Krupp und Beamte der Stadt Essen, sondern stellte auch Räumlichkeiten für Kunstschaffende zur Verfügung, um der Vision einer klassenübergreifenden Gemeinschaft in ästhetisch gestalteter Umgebung Ausdruck zu verleihen. So konnte sich auf der Margarethenhöhe ab 1917 eine KünstlerInnensiedlung von überregionaler Bedeutung etablieren. Dort experimentierte Elisabeth Treskow, mittlerweile Goldschmiedemeisterin, an der Wiederentdeckung der Granulation, einer antiken, äußerst schwierigen Goldschmiedetechnik. Sie erhielt Aufträge aus dem Essener Großbürgertum und von den Bistümern, 1938 fertigte sie für den Essener Oberbürgermeister die Amtskette an. Gertrud Hesse und Alfred Renger-Patzsch, ebenfalls Mitglieder der Essener Künstlerkolonie auf der Margarethenhöhe, überlieferten mit ihren Fotografien diese künstlerisch kreative Zeit.

Die zunehmende Bombardierung der Kruppschen Industrieanlagen durch die Alliierten mit ihren Auswirkungen auf die gesamte Essener Stadtbevölkerung im Zweiten Weltkrieg machte jedoch 1943 einen Umzug ins ruhigere Detmold unabwendbar. Dort restaurierte Elisabeth Treskow mangels öffentlicher Aufträge Silberarbeiten für den Fürsten zu Lippe-Detmold, ehe sie an die Kölner Werkschulen berufen wurde. 1956 erfolgte ihre Ernennung zur Professorin.

In ihren späten Jahren beschäftigte sich Elisabeth Treskow mit antiken Gemmen, also mit vertieft geschnittenen Edel- oder Halbedelsteinen, die als Schmuck oder als Siegel Verwendung fanden. Sie schrieb sich mit ihren Gestaltungen, Entwürfen, Rekonstruktionen und technischen Entwicklungen in die Geschichte der Goldschmiedekunst ein. Davon zeugt eine lange Liste mit Auszeichnungen, Ausstellungen und Publikationen. So widmete ihr das Kölner Museum für Angewandte Kunst 1990 eine große Retrospektive mit umfangreicher Publikation. Die Ruhrgebietsstädte Essen und Mülheim an der Ruhr repräsentieren ebenso wie die Stadt Köln auch heute noch mit Amtsketten aus der Werkstatt von Elisabeth Treskow.

1954 beschloss die Bochumer Maiabendgesellschaft, ihre im Kriege verlorene Königskette nach altem Vorbild wiederherzustellen und die wenigen wieder aufgefundenen Königsplaketten neu fassen zu lassen. Diese Arbeit vertraute sie Elisabeth Treskow an, die gleichzeitig im Auftrag der Gesellschaft ein Diadem für die Schützenkönigin anfertigte. Für die neufundierte und 1955 festlich eingeweihte Kirche St. Nikolaus von Flüe in Bochum-Marmelshausen schuf sie die kultische Ausstattung: ein Tabernakel, eine Monstranz, sechs Leuchter und ein Vortragekreuz – doch unsterblich ist Elisabeth Treskow mit der Meisterschale geworden.

Dr. Uta C. Schmidt / frauen/ruhr/geschichte

Orte:

Siedlung Margarethenhöhe, Steile Straße (Hauptzugang)/ Kleiner Markt, 45149 Essen; Atelierhäuser: "Kleines Atelierhaus" - Sommerburgstraße 18; "Werkhaus"- Im Stillen Winkel 1; "Großes Atelierhaus" - Im Stillen Winkel 42-48
Katholische Kirchengemeinde St. Nikolaus von Flüe, Dorstener Str. 368, 44809 Dortmund
siehe auch: http://www.bochum.de/C125708500379A31/vwContentByKey/N26XQ6B8547HGILDE

Literatur:

Joppien, Rüdiger (Bearb.), Elisabeth Treskow. Goldschmiedekunst des 20. Jahrhunderts, Beleitpublikation zur Ausstellung, Köln 1990
Wilbertz, Gisela, Bochumer Frauen, hg. v. Evangelische Stadtakademie Bochum/ Stadt Bochum, der Oberstadtdirektor, Presse- und Informationsamt, Bochum 1991, S. 34f.

Zitation: Schmidt, Uta, Elisabeth Treskow, Version 1.0, in: frauen/ruhr/geschichte, https://www.frauenruhrgeschichte.de/biografien/elisabeth-treskow/

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