Antonie Jüngst / 1843-1918

Werner Ehrenbürgerin

Die einzige Frau in der Riege der Werner Ehrenbürger ist bis heute Antonie Jüngst geblieben. Sie wurde am 13. Juni 1843 in Werne als elftes von insgesamt zwölf Kindern im Haus Nr. 158, heute Steinstraße 6, geboren. Ihr Vater, Wilhelm Jüngst, kam als preußischer Steuereinnehmer nach Werne und gehörte der evangelischen Konfession an. Er heiratete in Werne Franziska Waldeyer, die katholisch war und auch ihre gemeinsamen Kinder im katholischen Glauben erzog. Der Vater verstarb schon 1844 und so blieb die Mutter mit zwölf kleinen Kindern alleine. Wenige Jahre später verstarb auch sie im Alter von nur 44 Jahren. Die Kinder, nun Vollweisen, wurden auf Verwandte und Bekannte der Familie aufgeteilt. Antonie, gerade erst fünf Jahre alt, kam zum kinderlosen Ehepaar Justizrat Crone nach Rheine. Dort erkannte man ihre sprachliche Begabung. Sie vollendete ihre Schulausbildung in Aachen bei den Ursulinerinnen von St. Leonhard. Danach lebte sie bei ihren inzwischen nach Münster verzogenen Pflegeeltern. Mit ihnen, nach dem Tod des Pflegevaters mit der Mutter allein, machte sie größere Reisen in die Schweiz, nach Thüringen und Italien. Auf ihrer zweiten Romreise im Frühjahr 1899 durfte sie ihr Werk Roma aeterna in einer Privataudienz Papst Leo XIII. überreichen.

Nach dem Tod ihrer Pflegemutter im Jahr 1894 arbeitete Antonie Jüngst in leitender Stellung als katholische Fürsorgerin. Ihr frühes Engagement für den 1903 gegründeten Katholischen Frauenbund Deutschlands zeigt sich in der Herausgabe des Aufsatzbandes: Gezeichnet!: ein Büchlein von der Fürsorge; zum besten des Vincenz-Waisenhauses in Münster im Jahre 1905 mit Aufsätzen u.a. von Hedwig Dransfeld und Antonie Haupt.  Sie gab ebenfalls ein Gedenkbüchlein der Generalversammlung des katholischen Frauenbundes von Sonntag den 25. Oktober bis Mittwoch den 28. Oktober 1903 in Münster in Westfalen heraus.

Ihre Verbundenheit mit der katholischen Frauenvereinigung zeigt sich auch darin, dass Hedwig Dransfeld, von 1912 bis 1922 hauptberufliche Vorsitzende des Katholischen Frauenbundes und seine politisch einflussreichste Stimme, Erinnerungen an Antonie Jüngst verfasste:„Antonie Jüngst wirkte viel mehr durch ihre Persönlichkeit als durch ihre Dichtung. Aus unserer Literaturgeschichte wird sie möglicherweise bald verschwinden, wenn nicht doch vielleicht ihr Nachlaß uns bringt, was wir, die ihr nahestanden, von ihr erbaten und ersehnten: ihre Lebenserinnerungen. … Antonie Jüngst – eine unserer Edelsteine und Besten! Und zugleich eine von denen, die – wenn auch aus scheuer Seele heraus – die neue Zeit zu verstehen suchten und tatsächlich verstanden!“

In Münster trat Antonie Jüngst in näheren Kontakt zu Christoph Bernhard Schlüter, dem Freund und Mentor von Annette von Droste-Hülshoff. Er betreute ihre literarischen Versuche und übersetzte mit ihr zahlreiche Gedichte aus dem Englischen. Schöningh in Paderborn verlegte einige ihrer bedeutendsten Werke: Aus meiner Werkstatt, Der Tod Baldurs, Conradin der Staufer, Was die Lagune birgt. Bilder aus der Geschichte Venedigs, Unterm Krummstab. Eine künstlerisch hochstehende, tief religiöse Dichtung ist Maria Magdalena, von der sie am 24. September 1908 schrieb:„Ich habe die mir aus vollem Herzen quellende Dichtung glücklich beendet und hoffe, das Büchlein in nicht zu ferner Zeit meinen Freunden vorlegen zu können.“

Insgesamt umfasst das Werk der Antonie Jüngst neben zahlreichen Gedichtbänden, Novellen und epischen Erzählungen auch musikdramatische Dichtungen wie zum Beispiel Der Erdenpilger und sein Schutzgebiet, Quo vadis und St. Stephanus. Diese Oratorien wurden vertont und kamen in Amsterdam und anderen Städten zur Aufführung. Antonie Jüngst hielt in einem Text ein romantisches Bild der „Heimat Werne“ fest:  … Oft malt sich mir das Bild der alten Lippestadt Werne. Dann sehe ich seine stillen Straßen und Gassen, die Freundlichkeit seines Marktplatzes, dann höre ich das Rauschen seiner alten Bäume, lausche andächtig dem Klang der Vogelstimmen, gehe wie im Traum durch die weiten, gesegneten Kornfelder und über die grünen münsterländischen Kämpe. So mächtig ist das Bild der Heimat! So stark und fordernd! Wenn es mich erfüllt, wächst in mir ein hoher Mut …!

Im Dezember 1917 erlitt Antonie Jüngst einen Schlaganfall, der sie ans Bett fesselte. Einen weiteren Schlaganfall überlebt sie nicht.

Uta C. Schmidt/ FRAUEN.ruhr.GESCHICHTE.

Orte:

Geburtshaus mit Gedenktafel, Steinstraße 6, 59368 Werne
Jüngststraße, 59368 Werne
Sammlung ihrer Werke im Stadtmuseum Werne, Kirchhof  13, 59368 Werne
Grabstätte auf dem Zentralfriedhof in Münster, Robert-Koch-Straße 11,
48149 Münster

Literatur:

Fertig-Möller, Heidelore,„Oft malt sich mir das Bild der alten Lippestadt …“. Die Werner Dichterinnen Antonie Jüngst und Toni Schmedding-Elpers“, in: Kreis Unna (Hg.), Jahrbuch des Kreises Unna 2010. Kultur-Geschichten, Unna 2010, S. 49-52.
Dransfeld, Hedwig, Eine Erinnerung an Anotie Jüngst, in: Hedwig Dransfeld zum Gedächtnis. Zum 2. jahrestag ihres Todes, hg. v. Katholischen Deutschen Frauenbund, 1927, S. 47-49.
Artikel: Antonie Jüngst, in: Lexikon Westfälischer Autoren und Autorinnen 1750-1950, in: http://www.lwl.org/literaturkommission/alex/index.php?id=00000002

Zitation: Schmidt, Uta C., Antonie Jüngst, Version 1.0, in: frauen/ruhr/geschichte, https://www.frauenruhrgeschichte.de/biografien/antonie-juengst/

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